Verkehrssicherung bei Bewegungsjagden

Die Planung der Drückjagden steht an. Und damit auch die Frage nach der aktuellen Situation zur Verkehrssicherungspflicht. Seit über zwei Jahren ist die RSA 21 (Richtlinien zur verkehrsrechtlichen Sicherung von Arbeitsstelle an Straßen) in Kraft und sorgt seit dem zu unterschiedlichen Auslegungen mancher Behörden. Unser Mitglied Uwe Stephan hatte dieses Thema auch auf unserer JHV am 28.04.2024 angesprochen.

Die Kreisgruppe Rhein-Lahn hat eine juristische Bewertung bei Rechtsanwalt Dr. Thomas Giesen (Koblenz) in Auftrag gegeben. Die Texte wurde uns zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.

Hier die Kurzfassung der Handlungs- und Argumentationshilfe für Jagdherren:

Wenn seitens der Jagdbehörden oder der Verkehrsbehörden geäußert wird, bei Gesellschaftsjagden müssten bestimmte straßenverkehrsrechtliche Vorkehrungen (bis hin zur Aufstellung von Straßenschildern in Kaskaden zu sog. Geschwindigkeits-Trichtern, zur Ausbildung, Fortbildung und Anwesenheit von Aufsichtspersonal etc.) getroffen werden, sollten die Jagdherren darauf nicht reagieren. Die Behörden können sich mit Anordnungen und Verhaltensmaßnahmen nur durch schriftliche, gesetzlich begründete Verwaltungsakte (Bescheide) gegenüber Jägern und Jagdveranstaltern äußern. Dagegen sind Rechtsmittel möglich, die aufschiebende Wirkung haben, wenn nicht aus besonderen Gründen ihre sofortige Vollziehung angeordnet ist; auch dagegen ließe sich im Eilverfahren vorgehen.

  1. Einigkeit besteht darin, dass die Ausübung der Jagd ein wichtiger Teil der Kulturpflege unserer Fauna und Flora ist. Zur Erfüllung der (nicht selten behördlich angeordneten) Abschusspläne ist Jagd nötig und gesetzlich angeordnet. Insoweit ist die Ausübung der Jagd ein gemeinnütziges öffentliches Anliegen. Die Ausübung der Jagd unterliegt vielen Rechtsvorschriften, die jedoch die Nutzung oder die In-Anspruch-Nahme öffentlicher Straßen, die dem allgemeinen Verkehr gewidmet sind, nicht erwähnen. Ich sehe keine ausreichende Rechtsgrundlage für Anordnungen der Straßenverkehrsbehörde gegen Veranstalter von Jagden.
  2. Der Wald ist auch außerhalb von Wegen durch jedermann frei betretbar; dort bewegen sich Biker, Jogger, Einzelne und Gruppen beim Wandern, Pilzsammler, Waldarbeiter, Förster, Holz-Selbstwerber, Waldeigentümer und Waldbauern und Naturliebhaber etc. völlig ohne Abstand zum Wild. Für die Feld- und Wiesenflur gilt das Gleiche. Sie alle scheuchen gelegentlich Wild auf (Landwirte etwa bei Sauen im Mais vor der Ernte oder der Mahd), das dann abspringt und gelegentlich eine Straße quert. Hinzu kommt, dass das Wild bei Brunft oder auf Futter- oder Einstandssuche regelmäßig Straßen kreuzt oder neben ihnen friedlich und unbeeindruckt vom Verkehr äst. Niemand kommt auf die Idee, dazu Straßenschilder aufzustellen, es sei denn, dass erfahrungsgemäß an Hauptwechseln viel Wild aus- und übertritt; dann werden dort von Amts wegen Schilder mit dem Achtungszeichen „Wildwechsel“ aufgestellt. Dies jedoch völlig unabhängig von der Jagd.
  3. Niemand kommt auf die Idee, Landwirte, Waldarbeiter, Pilzsammler, Krötensammler, Jogger oder Biker zu verpflichten, Straßenschilder aufzustellen. Jeder Kraftfahrzeuglenker lernt, dass Wildwechsel eine dem Straßenverkehr auf dem Land immanente Dauergefahr darstellt, die ihn zwingt, seine Geschwindigkeit anzupassen. Fährt er unvorsichtig, muss er seinen Schaden selbst tragen oder versichert sein.
  4. Zur effektiven Jagd – anders sind die Abschussverpflichtungen nicht einzuhalten – gehören Gesellschaftsjagden in der Form von Drück- und Treibjagden. Dabei wird das Wild in seinem Einstand oder Ruhelager systematisch und flächenübergreifend aufgesucht, auf die Läufe gebracht und Schützen zugetrieben. Das Wild selbst ist herrenlos, es unterliegt also keiner Verantwortlichkeit bis zu seiner Aneignung; der Inhaber des Jagdrechts oder des Jagdausübungsrechts trägt folglich keinerlei Verantwortung für das Verhalten des Wildes, solange er es nicht bestimmend – wie ein willenloses Werkzeug – beeinflusst. Das Wild sucht sich bei Treibjagden – wie auch sonst – seinen Weg grundsätzlich von der Gefahr weg, selten aber unvorhersehbar gegen die Treibrichtung. Solche Reaktionen wollen die Treiber aber gerade durch gewisse Zurückhaltung vermeiden, weil sie das Wild den Schützen zuführen wollen. Die Fluchten des Wildes sollen in Richtung Schützenkette erfolgen und mäßig rasch sein. Sie sind üblicherweise auch kurz, weil das Wild Belastung scheut und rasch ermüdet.
    Straßen bleiben möglichst ausgegrenzt; das Treiben selbst erfolgt niemals in Richtung von Straßen oder über sie hinweg. Die Schützen werden ohnehin nie in der Nähe von Straßen postiert. Überquerungen von Straßen durch fußläufige Jagdteilnehmer sind selten. Mit anderen Worten: Straßen – erst recht nicht deren Nutzung – gehören nicht zur Organisation einer Treibjagd. Sie werden gemieden.
    Folglich liegt bei ordnungsgemäßer Treibjagd keine bewusste Gefahrerhöhung vor.
  5. Besondere Vorkommnisse im Sinn von vermehrten Wildunfällen ausgerechnet bei Treibjagden sind nicht bekannt, werden auch nicht behauptet. Ein Handlungsdruck besteht nicht. Es ist aber zur Vermeidung unnötiger Auseinandersetzungen und nach entsprechender Meldung an die Straßenverkehrsbehörde (Kreisverwaltung) nicht verboten und daher ratsam, das Warnschild „Treibjagd“ aufzustellen. Damit sind die üblichen privaten Vorkehrungen getroffen im Sinn der Schadensverhütung. Diese – wenn auch unverbindliche – Warnung ist ausreichend, um jeden Fahrer zur besonderen Vorsicht anzuhalten.
  6. Wenn es nicht nötig ist, bürokratische Aktivitäten zu entfalten, ist es nötig sie zu unterlassen. Eingriffe in Freiheitsrechte sind dem Staat nur aufgrund klarer gesetzlicher Regelungen erlaubt. Solche existieren für die Straßenbeschilderung bei Jagdveranstaltungen nicht. Eine Verkehrssicherungspflicht besteht nur für den, der einen Verkehr eröffnet., das ist bei Treibjagden nicht der Fall. Direkte Einwirkungen auf den Straßenverkehr werden durch die Jagd nicht ausgelöst, wenn Wild, das nicht absichtlich Richtung Straße getrieben wird, dennoch frei über die Straße flüchtet.

Die StVO (Grundlage ist § 6 StVG) richtet sich an Verkehrsteilnehmer; sie enthält keinerlei Vorschriften über Jagd oder Jäger oder Reflexe auf den Straßenverkehr. Die RSA 21 ist eine Verwaltungsvorschrift und richtet sich an Arbeitsstellen, die direkten Einfluss auf den Straßenverkehr auslösen. Eine sog. Analogie solcher Vorschriften ist im Verwaltungsrecht nicht statthaft. Nötige Straßenverkehrszeichen mit Verbindlichkeit sind von den Behörden aufzustellen; das ist ihnen ohnehin nur dann gestattet, wenn dies „zwingend erforderlich“ ist, so § 45 Abs. 9 StVO.

Wir halten daher fest: Die RSA kann die Jäger nicht verpflichten und die StVO tut es nicht.

Fazit. Bescheide abwarten und dagegen Rechtsmittel einlegen. Unabhängig davon die eigenen  Schilder (Warnzeichen: Treibjagd) aufstellen.

Dr. Giesen, Rechtsanwalt

Foto: Michael Stadtfeld